Michael E., der Schütze von Klarenthal, war ein Waffennarr. Von Sommer 1995 bis Oktober 1998 spazierte er regelmäßig mit einer scharfen Waffe durch Saarbrücken. Mal war es ein Revolver, mal ein Colt, mal eine halbautomatische Pistole. Für keine dieser Waffen besaß er einen Waffenschein. Auch in seiner Rechtsanwaltskanzlei lief Michael E. regelmäßig schwer bewaffnet herum. Am 14. Oktober 1998 nahm die Polizei den Anwalt in der Saarbrücker Innenstadt wegen diverser Delikte im Rotlichtmilieu fest. Auch bei dieser Gelegenheit war er bewaffnet: mit einer Pistole Smith & Wesson, Kaliber 45. Er trug sie, mit acht Schuss geladen, im Hosenbund unter seinem Pullover. Michael E. kam in Untersuchungshaft. Ein Jahr später wurde er rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt. Eigentlich sieht das Gesetz vor, dass einer Person in einem solchen Fall Jagdschein, Waffenbesitzkarte und Waffen entzogen werden. Eigentlich. Doch bei Michael E. dauerte es sage und schreibe bis zum Jahr 2007, bis er tatsächlich waffenlos war. Das ergaben Recherchen der RHEINPFALZ. Doch der Reihe nach. 1998 wurde Michael E. festgenommen, 1999 verurteilt. Es dauerte erst einmal drei Jahre, bis die Strafakte bei der Stadt Saarbrücken einging und die Jagd- und Waffenbehörde von der Verurteilung offiziell Kenntnis erlangte. Unterdessen hatte die Stadtverwaltung Saarbrücken den Jagdschein des Mannes anstandslos verlängert - offenbar bis 2006. Nachdem die Stadtverwaltung im Jahr 2002 endlich Kenntnis von der Verurteilung erlangt hatte, hätte Michael E. angehört werden und das Waffenentzugsverfahren losgetreten werden sollen. Eigentlich. Tatsächlich passierte nichts. "Es liegt die Vermutung nahe, dass einem Sachbearbeiter damals eine Fehleinschätzung unterlief", sagte ein Sprecher der Stadt Saarbrücker auf Anfrage. Michael E. jedenfalls konnte weiter zur Jagd gehen und ein stetig wachsendes Waffenarsenal besitzen. Im Jahr 2006 ermittelte die Staatsanwaltschaft wieder gegen den Mann, in drei verschiedenen Verfahren. Als die Saarbrücken Stadtverwaltung davon Kenntnis erlangte, holte sie die Akte Michael E. noch einmal hervor und beschloss nun, seinen Antrag auf neuerliche Verlängerung seines Jagdscheins abzulehnen. Der Jäger klagte gegen diesen Bescheid. Doch das Verwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der Stadt Saarbrücken: der Jagdschein wurde nicht verlängert. Im Anschluss begann dann das Verfahren zum Entzug von Waffenschein und Waffen. Das zog sich dann bis ins Jahr 2007 hin. Erst dann war Michael E. tatsächlich waffenlos - neun Jahre nach seiner Festnahme und acht Jahre nach seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat. Und dann? Vier Jahre später beantragte der Rechtsanwalt Jagdschein und Waffenbesitzkarte wieder. Dem Antrag wurde entsprochen: Seit 2011 durfte der Mann sein Waffenarsenal wieder besitzen und bei der Jagd auch einsetzen. Am Freitag vor Pfingsten schoss er mit einer der Waffen aus seinem Arsenal auf Polizisten, einen verletzte er schwer.
Georg Altherr